Die aktuelle wirtschaftliche Lage setzt vielen Unternehmen, und damit auch Führungskräften enorm zu. Gerade produzierende Firmen in der Schweiz und Deutschland kämpfen mit Kurzarbeit, Werksschliessungen und einer unsicheren Zukunft. In solchen Zeiten bangen Menschen um ihre Zukunft und es entstehen oft Spannungen. Fehler sollen um jeden Preis vermieden werden, und der Blick richtet sich zunehmend auf Probleme und Brandherde, doch genau dieses Problemdenken kann den Weg zu innovativen und zukunftsorientierten Lösungen versperren.
Es ist menschlich, in Krisensituationen den Fokus auf Probleme zu legen. Der Druck, Fehler zu vermeiden, verstärkt oft die Wahrnehmung, dass selbst kleine Schwierigkeiten zu riesigen Bergen anwachsen. Doch wie gelingt es, raus aus der Negativspirale zu finden und den Troublefokus umzulenken? Notsituationen bringen besondere Stärken hervor, denn an Krisen wachsen wir.
Die Lektion aus dem Scheitern: Failcon und Fuckup Nights
Ein perfektes Beispiel für die positive Kraft des Scheiterns sind Veranstaltungen wie die Failcon oder die Fuckup Nights. Auf diesen Events erzählen Unternehmer*innen und Führungskräfte offen von ihren größten Fehlern – von gescheiterten Projekten, geschlossenen Firmen und teuren Fehlentscheidungen. Diese Events haben sich auch als unschätzbare Lernplattformen etabliert. Warum? Weil sie eine zentrale Botschaft vermitteln: Krisen und Scheitern sind ein notwendiger Teil des Erfolgs. Denn dabei lernen wir und entwickeln uns enorm weiter.
Der Weg zum Erfolg ist gepflastert mit Pleiten, Pech und Pannen. Wer krisenfrei durch das Leben geht und keine Fehler macht, entwickelt sich nicht weiter. Das gilt auch für Führungskräfte. Es ist entscheidend, aus Problemen zu lernen und an ihnen zu wachsen. Denn nur wer bereit ist, Fehler einzugestehen und sie zu analysieren, kann besser werden, daraus Innovationen ableiten und neue Wege beschreiten.
Doch hier stellt sich eine wichtige Frage: Wann und wo dürfen und sollen Fehler passieren? Und in welchen Bereichen müssen wir uns so verbessern, dass Fehler ausgeschlossen werden können?
Umsetzungsmodus vs. Innovationsmodus: Wann führe ich wie?
Führungskräfte müssen in ihrer täglichen Arbeit zwischen zwei Modi unterscheiden: dem Umsetzungsmodus und dem Innovationsmodus. Beide erfordern unterschiedliche Herangehensweisen an Fehler und Problemlösungen.
Der Umsetzungsmodus: Keine Toleranz für Fehler
Im Umsetzungsmodus – denken wir an die Fertigung von Herzpumpen oder an den Rennbetrieb eines Formel-1-Teams – ist Präzision das A und O. Alles muss reibungslos funktionieren, jeder Handgriff sitzen. Hier dürfen keine Fehler passieren. Diese Prozesse erfordern eine fehlerfreie Durchführung, da kleinste Abweichungen schwerwiegende Konsequenzen haben können.
Der Innovationsmodus: Raum für Fehler und kreatives Denken
Im Innovationsmodus hingegen ist Raum für Fehler notwendig. Dieser Modus ist vergleichbar mit der Phase zwischen den Rennen bei einem Rennteam. Hier wird analysiert, experimentiert und verbessert. Führungskräfte und Teams können und sollen sich Zeit nehmen, um zu überlegen, wie sich Prozesse optimieren lassen. Sie dürfen träumen und experimentieren. Fehler sind hier nicht nur erlaubt, sondern notwendig, um neue Lösungen zu finden.
Die richtige Haltung finden
In Krisenzeiten fokussieren sich Führungskräfte oftmals stark auf den Umsetzungsmodus und das Operative. Doch ohne bewusstes Investment in neue Ideen, kann es passieren, dass Teams die Perspektive und den Mut verlieren. Gerade in Drucksituationen werden unrunde Prozesse sichtbar und zeigt sich die Moral der Belegschaft. Schon kleine Verbesserungen können Grosses bewirken. Deshalb ist es wichtig, Zeitfenster zu schaffen für Ideen- und Lösungsfindung. In beiden Modi lautet die zentrale Frage: Was können wir lernen? Es ist wichtig, die richtigen Fragen zu stellen: „Wie sind wir an diesen Punkt gelangt? Was lernen wir daraus? Wie können wir es in Zukunft besser machen?“ Diese Fragen führen zu Lösungen. Ein fataler Fehler hingegen wäre, sich zu sehr mit der Frage nach dem „Warum“ aufzuhalten. Warum etwas passiert ist, kann zwar für die Innovationsphase relevant sein, im operativen Alltag führt es jedoch schnell zu Schuldzuweisungen und Konflikten.
Als Führungskraft ein konstruktives Mindset entwickeln
„Der Lösung ist egal, wie das Problem entstanden ist“ – Steve de Shazer
Der amerikanische Therapeut Steve de Shazer brachte es mit einem simplen Satz auf den Punkt. Das bedeutet nicht, dass Probleme nicht ernst genommen werden sollten. Doch wer sich zu sehr in der Problemanalyse verliert, verpasst oft den entscheidenden Schritt zur Lösung.
Je mehr Gedanken um das Dilemma kreisen, desto negativer werden die Emotionen. Dieser emotionale Kreislauf blockiert nicht selten den Zugang zu Kreativität und Logik. In diesen Situationen ist es hilfreich, die eigene Denkweise zu ändern und den Fokus bewusst auf Lösungen zu lenken, statt das Problem bis ins kleinste Detail zu analysieren.
Ein gutes Beispiel dafür wäre: Statt zu fragen „Warum ist das passiert?“, sollten Führungskräfte überlegen „Was ist nun unser Ziel?“ oder „Was bringt uns jetzt einen Schritt weiter?“. Diese Perspektivenverschiebung kann den Weg für kreative Lösungen und produktives Handeln ebnen.
Praxis-Tipp: Den Fokus in Meetings schärfen
Ein bewusster Lösungsfokus kann nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch in Meetings und Teamdialogen eine grosse Wirkung haben. Hier einige praktische Tipps, um den Fokus in Gesprächen zu schärfen:
- Achte in Meetings und Gesprächen darauf, wie sich die Haltung deiner Gesprächspartner*innen äussert. Wer konzentriert sich auf das Problem und wer auf mögliche Lösungen?
- Welche Formulierungen oder Denkmuster möchtest du selbst in Zukunft bewusster über Bord werfen, um den Weg für kreative Lösungsansätze zu öffnen?
- Wie kannst du dein Team dazu ermutigen, den Fokus auf das zu richten, was wirklich weiterhilft, anstatt sich im Problem zu verlieren?
Den Weg für eine Lernkultur ebnen
Eine Lernkultur in Unternehmen zu etablieren, bedeutet, den Fokus von der blossen Fehlervermeidung auf kontinuierliches Lernen und Wachstum zu lenken. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der Fehler analysiert und daraus Lehren gezogen werden können, ohne dass Menschen sich schuldig fühlen oder in Konflikte verwickelt werden. Wenn Unternehmen den Mut haben, aus ihren Fehlern zu lernen und den Fokus auf Lösungen zu lenken, können sie nicht nur innovativer werden, sondern auch resilienter und wettbewerbsfähiger.
Letztendlich führt der Lösungsfokus nicht nur zu besseren Ergebnissen, sondern auch zu einem positiveren Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeiter*innen sich sicher fühlen, Fehler zu machen, zu experimentieren und zu lernen. Und genau das ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg, gerade in herausfordernden Zeiten.
Fazit
Führungskräfte profitieren sehr davon, sich bewusst von einem problemzentrierten Denken zu lösen und stattdessen eine lösungsorientierte Haltung einzunehmen. Indem sie den Unterschied zwischen Umsetzungs- und Innovationsmodus erkennen und in beiden Kontexten die richtigen Fragen stellen, schaffen sie eine Kultur der Weiterentwicklung. Es geht nicht darum, Probleme und Fehler zu vermeiden, sondern aus ihnen zu lernen und sich stetig zu verbessern.
Denn nur wer den Mut hat, aus dem Scheitern zu lernen, kann in Zukunft erfolgreich sein. Erfolgreich scheitern ist die Devise.